STOP FUNDING HATE SCORE ©: Ein Jahresrückblick, der es in sich hat

[mikimaur] Wer uns auf Social-Media folgt, weiss, dass wir zu jeder Sichtung/Nennung entsprechendes Bildmaterial mitliefern. Darauf sind unschwer die Seiten zu erkennen, die wir screenen. Wir erhalten sehr oft Zuschriften und die Frage, welche Seiten wir denn als "bedenklich" erachten. Anbei unsere Antwort:

«Wir haben seit mehr als einem Jahr nach und nach ca. 200'000 Seiten analysiert und diese nach folgenden Kriterien, nicht nur betreffend Inhalte, sondern auch betreffend Agenden des jeweiligen Seitenbetreibers unterteilt:

  • Extremismus (links oder rechts)
  • Diskriminierung (sex. Orientierung, Herkunft, Geschlecht, Religion etc.)
  • Pseudo-Wissenschaften
  • Verschwörungstheorien
  • Fake-News und Desinformation
  • Zugehörigkeit einer Organisation, die o.g. Punkte unterstützt/befürwortet
  • etc.
Als Mitglied der Digital Sherlocks des Digital Forensic Research Labs des Atlantic Councils (www.digitalsherlocks.org) bin ich darin geschult worden, solche Seiten und ihre Akteure aufzuspüren und zu durchleuchten. Wir sind Teil eines internationalen Netzwerkes und erforschen nicht nur die Seiten selbst, sondern auch die Tools, die diese Seiten nutzen, um ihre Hass- und Desinformationsbotschaften zu streuen.

Von den 200'000 Seiten haben wir ca. 180'000 als problematisch identifizieren können. Die meisten sind jedoch wieder offline, da es eine der Maschen ist, wie u.a. Betrüger rasch an Geld kommen, um ihre Organisationen zu refinanzieren. Die Liste, die wir laufend anpassen, können wir aus Gründen der Wahrung von Geschäftsgeheimnissen nicht aushändigen. Bekannte Seiten jedoch sind u.a.:

  • Breitbart
  • OANN One America News Network
  • Hannity(com)
  • Waynedupree
  • Etc.
Die von uns gescreenten Seiten generieren im D-A-CH Raum ca. 60Mio Visits/Monat und ca. 12Mia Ad-Impressions/Monat und sind daher für viele DSPs und Marktplätze (u.a. Pubmatic, Criteo, Google, Xandr, Revcontent, Outbrain etc.) «relevant» (hohes Inventar, günstigerer TKP ggü. seriösen Seiten etc.), was zu einem Ungleichgewicht in der Ausspielung von programmatischer Werbung führt. Dies wiederum führt dazu, dass lokale Seiten immer weniger Werbeumsätze erwirtschaften können. Wenn man bedenkt, dass je nach Markt bis zu ca. 60% der Display Werbeinvestitionen in programmatische Werbung fliessen (Social Media und YouTube davon ausgeschlossen), dann versteht man auch die Brisanz der Thematik.  2020-Adex-Full-Report-1st-July-2020png

Diese Seiten untergraben nicht nur unsere Demokratie, indem sie bewusst Hass und/oder Desinformation verbreiten, sondern sie führen unter Beihilfe von bekannten Marktplätzen dazu, dass Qualitätsjournalismus verdrängt wird und damit Arbeitsplätze verloren gehen. In der Schweiz sind viele Kleinverleger gezwungen, zu schliessen, und die Grossen vermelden Werbeumsatzeinbussen nicht nur wegen Google & Facebook.  

Unser Team hofft, vielleicht auf eine etwas naive Art, dass wir mit unserer Arbeit es schaffen, die Werbewirtschaft im D-A-CH Raum zu einem Umdenken zu verhelfen.»

Spannend ist aber, welche Akteure des Werbemarktes in der D-A-CH Region den Takt angegeben haben und welche Branchen besonders hervorstechen. Der #StopFundingHateNow Score für Dezember steht zum Download bereit.

Bald werden wir das Jahres-Reporting veröffentlichen. Vorab schon dieser Auszug:

Top Branchen aus Österreich:
1. Finance
2. E-Commerce
3. Automobil

Top Branchen aus Deutschland:
1. Bekleidung
2. Tourismus & Gastronomie
3. Media

Top Branchen aus der Schweiz:
1. E-Commerce
2. Lotterie & Casinos
3. Telekom
NB: Vom Staat subventionierte Branchen befinden sich auf Platz 4: Tourismus und auf Platz 8: Bildungseinrichtungen

Was ist unser Fazit nach vielen Monaten der Recherche-Arbeit? Ernüchterung!


Die Branche ist nicht bereit, programmatische Werbung sicherer zu machen. Man vertraut blind auf Tools, die schon zu Beginn versprachen, Hass-Seiten zu vermeiden. Für uns klingt das so, als bestünden gegenseitige Interessen, die eine Abkehr von diesen Tools (Ad-Tech Unternehmen) verhindern würden.

Machen wir ein Gedankenspiel:
Stellen Sie sich vor, Ihre Autowerkstatt baut in Ihrem Auto teure Bremsscheiben ein, die einen Unfall verhindern sollten. Nun stellt sich aus Recherchen und Unfallberichten heraus, dass diese Bremsscheiben Unfälle nicht verhindern, sondern sogar provozieren. Sie bauen die Bremsscheiben aus und lassen neue einsetzen; vom identen Hersteller, der jetzt das idente Versprechen abgibt. Und es stellt sich wiederum heraus, dass auch die neuen Bremsscheiben zu schweren Unfällen führen. Was würden Sie jetzt tun? Eben. Aber die Branche baut auch jetzt weiter Bremsscheiben des Herstellers ein, die unabhängige Organisationen getestet und beanstandet hatten. Das zeigt uns, dass die Branche keine Besserung der Situation anstrebt, sondern eine Optimierung der eigenen Interessen mit dem «Bremsscheiben Hersteller».

Wir werden trotz massiven Widerstandes (Beleidigungen und Diskreditierungen) unsere Arbeit weiterführen. 2022 ist ja noch jung und könnte die eine oder andere Überraschung parat haben.


Freundliche Grüsse
Euer #StopFundingHateNow Team

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